Bericht vom SPD-Konvent am 5. Juni in Berlin
von Susann Rüthrich, Stefan Engel und Ilko Kessler
Liebe Genossinnen und Genossen,
Ihr habt uns Euer Vertrauen geschenkt als Delegierte für den Konvent. Hier ist unser Bericht für Euch.
Unsere dreiköpfige Delegation bestand aus Ilko Kessler, Stefan Engel und Susann Rüthrich. Juliane Pfeil war für uns in der Antragskommission, konnte dann aber am Konvent selbst leider nicht teilnehmen. Stefan hat sie vertreten.
Als Gäste begleiteten den Konvent Reiner Hofmann, der DGB-Bundesvorsitzende, sowie Wilhelm Schmidt, der Präsident der AWO.
Vor dem Willy-Brandt-Haus begrüßten uns Demonstrierende, die von uns „Rote Linien“ zu Ceta, TTIP und TISA forderten. Diese Abkommen werden auch von uns diskutiert, allerdings bei einem eigens dafür einzuberufenden Konvent im September.
Dieser Konvent stand im Lichte des Erstarkens von Rechtspopulisten, Menschenfeinden und Nationalisten in Europa, wie auch bei uns in Deutschland. Auf unsere Potentiale, die Erwartungen an die SPD und unsere solidarischen Ziele ging Katharina Barley, unsere Generalsekretärin, bei ihrer Eröffnung ein. Wir müssen besser werden darin, unser Bild der Zukunft zu beschreiben und dann konsequent umzusetzen und zu erkämpfen. Das ist mehr als gute Inhalte zu beschreiben, mehr als Erfolge in der Regierung zu benennen. Dafür werden wir nicht gewählt, sondern für das, was wir in der Zukunft wollen: ein solidarisches, stabiles, weltoffenes, soziales Deutschland, fest eingebunden in Europa.
Dann startete direkt die Antragsberatung: genau 100 Anträge zu diesem Konvent und 478 (!) überwiesene vom letzten Bundesparteitag. Das Verfahren, diese Masse an nur einem Tag zu bewältigen, stellte Olaf Scholz als Vorsitzender der Antragskommission vor. Es geht nicht anders, als im Block die Themen abzustimmen und Änderungsanträge schriftlich einzureichen, damit die damit gemeinten Anträge aus den Blöcken herausgelöst werden. „Demokratische Selbstdisziplin“ – das Wort des Tages! Trotzdem mutet es schon seltsam an, wenn mit einer einzigen Abstimmung 80 Anträge verwiesen, abgelehnt oder auch in seltenen Fällen angenommen werden. Dem Engagement der Ortsvereine, Unterbezirke, Arbeitsgemeinschaften oder Landesverbände wird dieses Verfahren nur bedingt gerecht.
Den Antragsbereich Kommunales stellte Michael Müller, der derzeitige und hoffentlich auch kommende Regierende Bürgermeister von Berlin, vor. Arbeit, Bildung, Wohnen – das sind seine Themen in der wachsenden Stadt. Umgang mit der AfD, Partikularinteressen in Bürgerinitiativen, die gegen das Gemeinwohl stehen, Infrastrukturentwicklung – er zeichnet ein großes Bild der Herausforderungen. Wir wünschen ihm und den Berliner Genossinnen und Genossen gute Wahlergebnisse. Im Anschluss wurden die Anträge zu Kommunalpolitik verabschiedet.
Das Thema Sicherheitspolitik führt unser Bundesjustizminister Heiko Maas ein. Er beschreibt noch einmal das Spannungsverhältnis zwischen der Sorge vor zu tiefgreifenden Behörden und auf der anderen Seite einem erodierenden Sicherheitsgefühl, etwa durch Wohnungseinbrüche. Er macht auch klar, dass im Sexualstrafrecht von der SPD die Regelung „Nein heißt nein“ klar im Gesetz verankert wird. Hier steht jetzt auch die CDU „nach Köln“ unter Zugzwang. Bis dahin haben die eine klare Regelung verhindert. Weitere Themen sind Terrorismusbekämpfung, Hasskriminalität, unsere Nachrichten- und Geheimdienste.
Alles richtig. Leider liegt uns zum Zeitpunkt der Einbringung der eigentliche Antrag noch nicht vor. Die zeitlichen Abläufe beim Konvent dürften schon angemessener sein, sodass wir auch über den Text eines Antrages und nicht über die Aussagen des Einbringenden abstimmen. Gleiches gilt übrigens auch für diskutierte Änderungsanträge, die den Delegierten oft nicht in schriftlicher Form vorlagen.
Johanna Uekermann, Thomas Oppermann, Sigmar Gabriel – das waren spannende Beiträge in der anschließenden Debatte: dem in sozialen Medien attackierten Heiko Maas hat Sigmar unsere Solidarität ausgesprochen, Johanna hat für die Kennzeichnungspflicht von Polizistinnen und Polizisten plädiert, Thomas für das Prinzip: wir sorgen für eine gut ausgestattete Polizei und Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, widersprechen Rassismus in ihrer Umgebung und kümmern sich um die betagte Nachbarin.
Als der Antrag dann vorlag, wurde er mit wenigen Änderungen mit großer Zustimmung angenommen.
„Eingeschoben“ wurde die Rede des Parteivorsitzenden. Wir kümmern uns um den Zusammenhalt im Lande. Der Zustand der SPD und der Zustand der Demokratie im Lande hängen eng zusammen. Er brachte etwa den persönlichen Aspekt ein: die nationalistischen, antimodernen, chauvinistischen, reaktionären Aussagen der heutigen AfDler und deren Vordenker kennt er sehr gut – von seinem Vater. Und der war nun bekennender Nazi. Er ist überzeugt, dass wir eine gefestigte Demokratie sind. Und genau deshalb müssen die Demokratinnen und Demokraten, die Intellektuellen, Künstlerinnen und Künstler, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und alle anderen auch JETZT aufstehen und sagen: mit UNS nicht! Und wir müssen das organisieren, wir sind die Speerspitze der Demokratie. Unsicherheiten, Ungleichheit, die Sorge vor Veränderungen, das aber müssen wir gleichzeitig tatsächlich anpacken. Nun ja, wir sind an der Regierung, vieles haben wir geschafft. Jetzt also bitte die richtigen Weichen stellen!
Zu der Rede gab es dann eine ausführliche Debatte mit Kritik und Lob an Regierungshandeln und Wünschen für die sozialdemokratische Zukunft. Von dieser Debatte um die Ausrichtung werden wir in den nächsten Monaten sicher mehr erleben.
Den Antrag zum Solidarpaket brachte Ralf Stegner ein. Da die AfD aus der EU will und uns als Exportland schadet, und ansonsten auch die Standards der sozialen Sicherungssysteme in Frage stellt, heißt sie eigentlich „Arbeitslosigkeit für Deutschland“. Wir aber stehen für mehr Verteilungsgerechtigkeit. Das nennen wir im Antrag das „Solidarpaket für Deutschland“, für alle Menschen in Deutschland. Wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Fortschritt sollen sich einander bedingen.
Zu diesem Antrag folgte eine breite Aussprache, in der auch einige kritische Töne zur Sprache kamen. Die Frage, wie viele konkrete Punkte und Forderungen ein solcher Leitantrag enthalten soll, wurde offenbar unterschiedlich beurteilt. Der Änderungsantrag der AfA zur Weiterentwicklung des Rentenpakets wurde mit einer recht knappen Mehrheit abgelehnt, der zum Mindestlohn hingegen deutlich. Diese inhaltlichen Fragen werden nun im weiteren Prozess hin zum Wahlprogramm diskutiert werden müssen. Schlussendlich wurde der Gesamtantrag aber mit sehr großer Mehrheit angenommen.
Manuela Schwesig hat im Antragspaket die Lohngerechtigkeit für Frauen stark gemacht. Ein Initiativantrag dazu wurde ebenfalls gerne und mit großer Zustimmung angenommen.
Am Ende ging es noch um das Thema Steuergerechtigkeit. Ein entsprechender Antrag wurde von Thorsten Schäfer-Gümbel eingebracht. Für die SPD ist klar: Steuerschlupflöcher für internationale Konzerne müssen endlich geschlossen werden. Es kann nicht angehen, dass ein lokaler Café-Betrieb korrekt seine Steuern zahlt, sich die Konkurrenz von der international agierenden Großkette aber ihrer Pflicht gegenüber der Gemeinschaft entzieht.
Das heiß diskutierte Thema Freihandel stand dieses Mal nicht auf der Agenda. Dazu wird es im September einen eigenen Parteikonvent geben, der auch die SPD-Position zum CETA-Abkommen mit Kanada festlegen soll. Die sächsische Delegation zum Parteikonvent wird euch dazu natürlich auf dem Laufenden halten.