Martin Dulig: „Dem Fall der Mauer zwischen Ost und West 1989, muss nun ein Fall der Mauer in den Köpfen folgen“

„Dem Fall der Mauer zwischen Ost und West 1989,

muss nun ein Fall der Mauer in den Köpfen folgen“

Martin Dulig, Ost-Beauftragter der SPD, zum 60. Jahrestag des Mauerbaus

„Vor 60 Jahren zementierte die DDR ihre diktatorische Ideologie in Beton. Den Menschen in Ostdeutschland wurde das Recht genommen, selbst zu entscheiden, wo sie leben, arbeiten und reisen wollten. Heute unbestrittene Grundrechte wurden ihnen genommen: Das Recht der freien Meinungsäußerung, der Entfaltung seiner Persönlichkeit, der wirtschaftlichen Betätigung, der Glaubensfreiheit, der Versammlungsfreiheit. Beim Versuch, die tödliche Mauer zwischen Diktatur und Freiheit zu überwinden, starben allein in Berlin rund 140 Menschen und über 250 Reisende während oder nach Kontrollen an Berliner Grenzübergängen.

Dass die Mauer im November 1989 fiel, war das Verdienst mutiger ostdeutscher Frauen und Männer. Sie forderten ein freies, demokratisches Land – mit Chancen für jede und jeden. Heute leben wir in einer freien, demokratischen Gesellschaft. In der die Grundrechte unumstößlich für alle Menschen gelten. Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit. Aber selbst das ist in unserem Land – anders als in Diktaturen – Dank des Grundgesetzes möglich. Und so schwer es manchmal auch auszuhalten ist, Lügen und Falschinformationen zu hören, es ist gut und richtig, dass jeder seine Meinung frei äußern darf.

Leider wird die Mauer in den Köpfen bei vielen Menschen derzeit wieder höher. Es werden Vergleiche zur DDR-Vergangenheit verkürzt und undifferenziert gemacht. Es werden alte Gräben vertieft, anstatt sie endgültig zuzuschütten. Deswegen war die Debatte, die Petra Köpping und ich in den vergangenen Jahren über die Anerkennung der Lebensleistung von Ostdeutschen geführt haben, so notwendig gewesen.

Und deswegen unterstütze ich Matthias Platzeck im Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“. Er hat Recht: Seine Idee eines ‚Zukunftszentrums für Europäische Transformation und Deutsche Einheit‘ sollten wir für Ost- und Gesamtdeutschland umsetzen, um wissenschaftlichen und kulturellen Debatten endlich einen Raum und Ort geben zu können.

Es gibt, auch 31 Jahre nach der friedlichen Revolution, leider noch immer keinen Platz für einen breit angelegten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Dialog über die für Gesamtdeutschland höchst entscheidenden Jahre rund um und vor allem nach 1990. Deswegen werben wir als SPD schon viele Jahre für dieses Zukunftszentrum. Dort können die oft bislang nicht gehörten Geschichten von vielen Ostdeutschen, aber auch Westdeutschen, gesammelt werden, welche in den vergangenen 30, 40 Jahren nicht erzählt oder gehört wurden. Dieser Ort kann in der Tat, wie es im Bericht heißt, eine in Stein gehauene, architektonische Würdigung der Lebensleistung der Menschen in den Transformationsprozessen der vergangenen Jahrzehnte sein.

Ich teile die Einschätzung von Matthias Platzeck: Ostdeutschland ist kein Randthema nur einer Region. Es gehört mitten hinein in die Debatte über Deutschlands und Europas Zukunft im 21. Jahrhundert. Nun müssen wir die Debatte endlich ernsthaft und konsequent führen – zum Nutzen unseres gesamten Landes.

Nach dem Fall der Mauer zwischen Ost und West im Jahr 1989, muss nun endlich ein Fall der Mauer in den Köpfen in Ost und West folgen!“