Martin Dulig: „Dr. Georg Gradnauer war eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Gründungszeit des Freistaates Sachsen.“
Heute ehren wir den Sozialdemokraten Dr. Georg Gradnauer. Er war der erste Ministerpräsident des Freistaats Sachsen und Vater der parlamentarischen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft Sachsens. Seit heute trägt der Tagungsraum R 270 in der Sächsischen Staatskanzlei seinen Namen und erinnert an sein Wirken im Freistaat. Ich danke Ministerpräsident Michael Kretschmer für die Feierstunde zu Umbenennung des Raumes zu seinen Ehren.
Dr. Georg Gradnauer war eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Gründungszeit des Freistaates Sachsen. Im Zuge des Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieges war Dr. Georg Gradnauer zwischen 22. Januar 1919 bis 14. März 1919 Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten im Freistaat Sachsen. Nach der Verabschiedung des vorläufigen Grundgesetzes für den Freistaat Sachsen wählten ihn die Abgeordneten des Freistaates am 14. März 1919 zum Ministerpräsidenten. Er war Mitglied der SPD.
Dr. Georg Gradnauer hat Zeit seines Lebens für eine soziale Demokratie gekämpft, in der die Menschen und eine soziale Gesellschaft im Mittelpunkt stehen. In seiner Regierungszeit begründete er eine soziale Wirtschaftsordnung: mit einem handlungsfähigen Staat, der für eine grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen sorgte. 1919 gründete er die „Landesstelle für Gemeinwirtschaft“, die auch nach seiner Regierungszeit weiterwirkte. Sie war dem Wirtschaftsministerium unterstellt und zielte auf eine mehr auf Gemeinwohl orientierte öffentliche Einflussnahme in der Wirtschaft.
Heute kennt Dr. Georg Gradnauer leider kaum jemand. Ich finde es bitter, dass den „Vater der sächsischen Demokratie“ und des Freistaats heute kaum noch bekannt ist. Sachsens Geschichte endet jedoch nicht mit der Monarchie. Die Erinnerung an Dr. Georg Gradnauer spielt in der Demokratie nach 1989 und in unserer Erinnerungskultur heute leiderkaum noch eine Rolle. Die Wiedererrichtung sächsischer Herrlichkeit war in der Nachwendezeit wichtiger als die Erinnerung an die Demokraten und Sozialreformer der ersten Stunde, die unter schwierigen Verhältnissen die Demokratie 1918 errichteten und verteidigten. Wir können stolz auf unsere Geschichte sein – gerade auf solche Persönlichkeiten! Umso freut es mich, dass in der Staatskanzlei nun an ihn erinnert wird.
Das Schicksal Dr. Georg Gradnauers ist uns auch eine Mahnung für einen Einsatz für unser Land und unsere Demokratie. 1933 nahm ihn das NS-Regime in „Schutzhaft“. Als Jude wurde er diskriminiert und verfolgt. Am 21. Januar 1944 wurde er verhaftet und verschleppt. Er überlebte die Nazi-Diktatur im KZ Theresienstadt. Er starb am 18. November 1946 in Berlin.