Müller: „Achtung vor dem Leben, Rechtssicherheit und ein Recht auf menschenwürdiges Sterben“
Zur Debatte um die rechtliche Regelung des assistierten Suizids erklärt der Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Detlef Müller:
Schon bisher waren Beihilfe und Anstiftung zur Selbsttötung in Deutschland straflos. Das hat im Wesentlichen mit der Systematik des geltenden Strafrechts zu tun, nach der eine strafbare Beihilfe zu einer Tat eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat voraussetzt, die der (straflose) Suizid aber nicht ist. Dennoch gibt es seit einiger Zeit die Debatte darum, den sogenannten assistierten Suizid klarer zu regeln. Es liegen nun verschiedene fraktionsübergreifende, sogenannte „Gruppenanträge“ zum Thema vor: Auf der einen Seite des Spektrums soll der assistierte Suizid unter Strafe gestellt, auf der anderen Seite die bisherige Rechtslage unverändert beibehalten werden. Der Fraktionszwang wurde hierbei aufgehoben, denn es handelt sich für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages um eine klassische Gewissensfrage.
Ich habe mich dazu entschieden, den Gruppenantrag zu unterstützen, nach dem der assistierte Suizid nach wie vor straffrei bleiben soll, allerdings unter der Einschränkung, dass an die straffreie Beihilfe strenge Voraussetzungen (z.B. eine ärztliche Beratungspflicht) geknüpft werden und gewerbsmäßiges Handeln verboten wird. Dabei darf assistierter Suizid auch nur geleistet werden, wenn der sterbewillige Mensch den Wunsch zur Selbsttötung freiverantwortlich gefasst und geäußert hat.
Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber dem Recht auf Leben entspricht auch ein Recht auf menschenwürdiges Sterben. Wenn ein Mensch sich tatsächlich dazu entschieden hat, freiwillig aus dem Leben zu gehen, dann tut er das nicht leichtfertig, sondern hat die schwerste Entscheidung getroffen, die ein Mensch treffen kann.
Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er die Selbsttötung im moralischen, religiösen oder weltanschaulichen Sinne als erlaubt oder verwerflich betrachtet. Solange aber der Staat dem Menschen die Verfügung über sein eigenes Leben überlässt, halte ich es aus einer humanistischen Sichtweise für geboten, einen verzweifelten, am Leben verzweifelnden Menschen im Sterben nicht alleine zu lassen. Es geht nicht darum, einem Menschen die Entscheidung darüber zu erleichtern, ob er sich das Leben nehmen soll: Es geht darum ihm zu erlauben, sich auf dem schwersten seiner Wege begleiten zu lassen.
Wenn eine solche Hilfe aber möglich sein soll, dann darf sie nur unter dem wachsamen Auge des Staates möglich sein, indem strenge Beratungspflichten und Kontrollmöglichkeiten eingeführt werden. Zugleich muss ausgeschlossen werden, dass Menschen mit der Beihilfe zum Suizid Geld verdienen. Für Familienangehörige, nahestehende Personen und Ärzte, aber auch sogenannte „Sterbehilfevereine“ entsteht dadurch ein sicherer, aber auch streng einschränkender Rechtsrahmen.
Den Gesetzentwurf finden Sie hier: http://www.renate-kuenast.de/w/files/papiere/15-06-11-gesetzentwurf-suizidassistenz-kuenast-sitte-gehring.pdf.