Rede des Gründungsvorsitzenden, Michael Lersow, zur 25. Wiederkehr der Wiedergründung des SPD-Landesverbandes Sachsen am 29.05.2015 in Dresden anlässlich der Festveranstaltung der Sächsischen SPD
Liebe Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, sehr geehrte Gäste,
„Wer seine Zukunft gestalten will, muss seine Geschichte kennen.“ Dies oft gebrauchte und etwas abgewandelte Wort, greift auch für die Sächsische SPD. Am 26. Mai 1990 konstituierte sich der SPD Landesverband Sachsen im Großen Saal des Forums der Stadt Chemnitz unter dem Motto „Für Sachsen in Deutschland die Zukunft gestalten“.
Für Sachsen in Deutschland die Zukunft gestalten drückte wohl das Zeitgefühl der allermeisten Mitglieder der SPD-Ost, insbesondere hier in Sachsen aus, das sich mit „Wir sind ein Volk, auch wir Sachsen gehören dazu“ treffend umschreiben lässt und wir sind bereit für unser Volk ein neues Kapitel zu schreiben, eben die Zukunft zu gestalten. Für die Allermeisten traf wohl auch zu, dass sie von der Zukunft keine konkreten Vorstellungen hatten. Dieses Zeitgefühl unterlag in der sehr kurzen Zeit der friedlichen Revolution starken Änderungen und deshalb ist die Frage erlaubt, ist denn das Datum 26. Mai 1990 wirklich das Gründungsdatum der Sächsischen SPD ??? oder ist es nur ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zum statuarisch vollwertigen Mitglied in der Familie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands? Auf einem Weg der dadurch gekennzeichnet war: Die Diktatur des Proletariats auf dem Gebiet der DDR zu beseitigen und den Menschen Freiheit, Demokratie und demokratische Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen und die Einheit Deutschlands zu ermöglichen, die das barbarische faschistische Regime aufs Spiel gesetzt hatte.
Teil 1 des Weges:
1989 war das kommunistische Herrschaftssystem, insbesondere die DDR, moralisch und wirtschaftlich am Ende. Die Massenausreisen, Glasnost und Perestroika, die Unruhen in den Betrieben, Verwaltungen und Institutionen, die ständig zunehmende Zahl an Demonstrationen und der wachsende Mut der potentiellen Akteure kennzeichneten die gesellschaftliche Situation in der DDR. Die DDR taumelt ihrem 40. Gründungstag entgegen. Genau an diesem Tage, am 07. Oktober 1989 gründeten 43 Männer und Frauen im Pfarrhaus von Schwante die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP). Die „sozialdemokratische“ Plattform von Schwante, hat die Machthaber in der DDR tief ins Mark getroffen. Sie griff die SED frontal an, fußte diese doch auf der Zwangsvereinigung von KPD und SPD! Die Gründung der SDP war also ein Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Einheit und hat die Mauer zwischen den beiden Teilen Deutschlands mit zum Einsturz gebracht. Die SPD ist 1989 im Osten de facto neu entstanden. Mitten aus der Gesellschaft. Keiner der 43 Gründungsmitglieder war ein geborener Sozialdemokrat, war jemals vorher Mitglied der SPD gewesen. Die SDP war also eine Partei der friedlichen Revolution, eine neue Partei, die an die Traditionen der Deutschen Sozialdemokratie anknüpfen wollte.
Ein Kennzeichen eint die Sozialdemokraten im geeinten Deutschland demnach: Die SPD hat sich nie Diktatur und Willkür gebeugt. Es gab immer mutige Frauen und Männer, die sich der jeweiligen Diktatur in den Weg stellten und ihre Ideale von einer aufgeklärten, emanzipatorischen, freien, offenen Gesellschaft mehrheitsfähig machten. Dies galt auch für die DDR, die friedliche Revolution und für die Zeit des Neuanfangs.
Teil 2 des Weges:
Schnell breitete sich so der Gründungsaufruf von Schwante über das ganze Land aus. An vielen Orten gründeten sich Ortsvereine, Kreisverbände und späterhin Bezirksverbände, der Verwaltungsstruktur der DDR folgend. Jeder neu gegründete Ortsverein war eine neue sozialdemokratische Zelle, die zum Ganzen hinzugefügt werden musste, sollte das Projekt gelingen.
Der Zulauf zu den Veranstaltungen war enorm, aber eine Organisation gab es praktisch nicht. Im Februar 1990 war die Mitgliederzahl der SDP auf etwa 100.000 angewachsen. Die Strukturierung der Partei musste unter diesem enormen Zulauf voran gebracht werden und der rasanten gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR Rechnung tragen.
Zunächst gab es für mich ein nachhaltig wirkendes Ereignis, die SED wollte sich auf ihrem Sonderparteitag im Dezember 1989 in SPD umbenennen. Nur durch entschiedene Intervention der SPD konnte dies verhindert werden! Aus der SED wurde die SED/PDS und ab Februar 1990 dann PDS. Die Darstellung dieses Verhaltens wird in der heutigen Diskussion leider ausgeblendet. Es ist aber hilfreich, sich daran zu erinnern! Neben der Sicherung der immensen materiellen Mittel der SED sollte auch den ehemaligen SED-Mitgliedern, zumindest der Organisation, ein Fortbestand gesichert werden. Die SDP beschloss am 13. Januar 1990 sich in SPD (Ost) umzubenennen, ein deutliches Zeichen, der Ruf nach „Wir sind eine Partei, die SPD“.
Die Wahlen zur Volkskammer waren für den 18. März 1990 terminiert. Die SPD (Ost) musste sich darauf vorbereiten. Auf einem Parteitag in Leipzig-Markleeberg im Februar 1990 wurde das Wahlprogramm dazu verabschiedet. Dass hier auch ein Grundsatzprogramm verabschiedet wurde bringt aus meiner Sicht den Wunsch und das Verantwortungsbewusstsein der ostdeutschen Sozialdemokraten nach einem eigenständigen Beitrag für die Sozialdemokratie in Deutschland zum Ausdruck. Dies war aus meiner Sicht aus zwei Gründen wichtig: Es musste der eigenständigen, anderen Sozialisierung der Bürger und damit auch der Sozialdemokraten in der DDR Rechnung tragen und zum anderen mussten wir den Platz nachhaltig besetzt halten, den die SED, in ihrem Reformbestreben selbst gern besetzt hätte. Die Umbenennung in „Partei des demokratischen Sozialismus (PDS)“ machte dies deutlich. Wir mussten also im Besonderen unseren programmatischen Unterschied zur SED/PDS artikulieren. Die SPD (West) hatte andere Zielstellungen, sie musste sich programmatisch mit den anderen konkurrierenden Parteien auseinandersetzen. Eine SED/PDS kam darin nicht vor.
Die Wahlen zur Volkskammer brachten folgende Ergebnisse:
Allianz für Deutschland: 48,0 % , davon CDU 40,8% SPD: 21,9%, in Sachsen lagen die Ergebnisse weit darunter, nur ein Wahlkreis in Leipzig hatte ein besseres Ergebnis.
Aus dieser Zeit ist mir ein Wahlplakat der CDU bleibend haftend geblieben:
Stop: PDSPDSEDSPDPDS Wider besserem Wissens wurde die SPD, in diesem Fall Ost mit der SED/PDS gleichgesetzt. Ich kann auch heute noch dafür nur das Wort infam finden.
Auch in Sachsen ging die Strukturierung der Partei zügig voran. Es bildeten sich zunächst 3 Bezirksverbände Chemnitz, Dresden und Leipzig. Am 6. Januar 1990 konstituierte sich der Bezirksverband Leipzig (Sachsen West) mit Christian Steinbach als Vorsitzenden und Nikolaus Voss als Bezirksgeschäftsführer, am 19. Januar 1990 der Bezirksverband Dresden (Sachsen Ost) mit Günter Neumann als Vorsitzender, der später durch Peter Adler abgelöst wurde. Günter Neumann war gleichzeitig Bezirksgeschäftsführer, am 10. Februar 1990 der Bezirksverband Chemnitz mit Volkmar Wohlgemuth als Vorsitzenden, der wenig später durch Michael Lersow ersetzt wurde und Karla Thoma als Bezirksgeschäftsführerin. Die 3 Bezirksverbände waren ganz unterschiedlich personell besetzt. In Leipzig kamen die führenden Sozialdemokraten zumeist aus dem kirchlichen Bereich (Steinbach, Voss, Schurig, Kamilli u.a.) In Chemnitz war der wissenschaftlich-ingenieurtechnische Bereich, Handwerker und Arbeiter stärker vertreten (Gerlach, Häcker, Lersow, Rudorf, Rüdiger Müller, Schwanitz u.a.), In Dresden war ebenfalls der wissenschaftlichingenieurtechnische Bereich stark vertreten, aber auch Lehrer und Künstler (Annemarie und Matthias Müller, Neumann, Adler, Kunckel u.a.).
Was die 3 Bezirksverbände einte, es waren nicht die typischen SPD-Mitglieder, die dort vertreten waren, also eine Bereicherung für die alte Tante SPD! Trotz aller Gegensätze und den unterschiedlichen Interessenlagen in den 3 Bezirksverbänden fand bereits am 24. März 1990 erstmals eine Vorbesprechung zur Vorbereitung eines Landesverbandes Sachsen statt und die 3 Bezirksvorstände beschlossen schon am nächsten Tag, den zu gründenden Landesverband in Bezirksverbände und Unterbezirke zu gliedern und den Sitz der Landesgeschäftsstelle nach Dresden
zu vergeben. Es sollte so schnell als möglich der Gründungsparteitag einberufen werden, um Ort und Kandidatenaufstellung wurde heftig gerungen. Die jeweiligen Verhandlungsgruppen (Voss, Benedikt, Adler, Kunckel, Lersow, Thoma u.a.) erhielten von ihren Bezirksverbänden neben einem Forderungskatalog auch immense Unterstützung, diesen durchzusetzen. Bei der Festlegung des Termins musste unbedingt im Auge behalten werden, das am 6. Mai 1990 die ersten freien Kommunalwahlen stattfanden. So wurde der Gründungsparteitag auf den 26. Mai 1990 nach Chemnitz vergeben. Die dazwischen liegende Kommunalwahl brachte ein nicht gutes Ergebnis für die Sozialdemokraten in Sachsen, in einigen Gegenden, wie in Ostsachsen kamen wir nicht vor.
Zum 1. Landesparteitag konnte jeder Bezirk 60 Delegierte stellen. Aus der Kampfabstimmung ging Michael Lersow im 2. Wahlgang als Sieger vor Karl-Heinz Kunckel hervor. Der SPD Landesverband Sachsen hatte sich konstituiert. In einer „Sachsenerklärung“ brachte ich die Überzeugung zum Ausdruck, dass das künftige Land Sachsen aufgrund seines wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potentials eine gute, herausragende Rolle in Deutschland spielen wird und verwies dabei insbesondere auf das vorliegende Programm der Sächsischen SPD, das auf Umsetzung wartete. Ich war also fest entschlossen, mein Organisations- und Durchsetzungstalent voll für den Landesverband einzusetzen, wusste aber, dass es „kam, sah und siegte“ in gesellschaftlichen Prozessen nicht gibt und war allerdings davon überzeugt, wenn man einen langen Atem und etwas Können besitzt, dass es letztendlich nur aufwärts für die SPD in Sachsen gehen konnte. Zunächst schien es auch so, allerdings konnte die Entwicklung nicht nachhaltig ausgebaut werden.
Teil 3 des Weges:
Das Siechtum der DDR nahm immer rasantere Fahrt auf. Bereits am 01. Juli 1990 wurde mit Staatsvertrag die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vollzogen. Am 22. August 1990 wurden die Weichen für eine grundlegende Erneuerung der Energieversorgung auf dem Gebiet der DDR mit Konzessionsvergaben an die 3 großen Energieversorger der alten BRD auf grün gestellt Der Beitritt der DDR zur BRD gemäß Artikel 23 Grundgesetz war logische Konsequenz, für mich auch alternativlos. In einer hektischen Volkskammersitzung konnten sich zunächst die Fraktionen der Volkskammer nicht auf einen Beitrittstermin einigen, bis der Ministerpräsident de Maizière auf eine Gruppe FDP Abgeordneter zutrat, die den 02. Oktober 1990 als Beitrittstermin wollten und sagte, „da ist aber ihr Oberguru Genscher nicht rechtzeitig aus New York zurück!“ Die spontane Antwort lautete: „Dann nehmen wir den 3. Oktober.“ So kam es auch! Für die SPD stand jetzt die Aufgabe, sie musste ihr Haus zu Ende bauen. Am 26./27. September 1990 fand der Vereinigungsparteitag im CCC in Berlin statt. Ich nahm als Delegierter und Delegationsleiter der Sächsischen SPD daran teil. Zuerst tagten die SPD-West und die SPD-Ost einzeln, um jeweils den Vereinigungsbeschluss herbeizuführen. Danach traten beide Parteien gemeinsam zusammen und beschlossen das Procedere.
Das Vereinigungsprotokoll vom 27.09.1990 unterzeichneten zunächst die Parteivorsitzenden der Ost-SPD, Wolfgang Thierse und der West-SPD HansJochenVogel, danach die die Landesvorsitzenden. Für den Landesverband Sachsen durfte ich die Unterschrift leisten, ein wahrlich historisches Dokument. In einem Manifest wurde die Wiederherstellung der Einheit der Sozialdemokratischen Partei festgestellt, eine Woche vor dem Tag des Vollzugs der Deutschen Einheit. Es ging weiter Schlag auf Schlag. Am 14. Oktober sollten die Landtagswahlen in Sachsen stattfinden. Die Sächsische SPD hatte sich darauf mit besten Kräften vorbereitet. Als Grundlage für das Wahlprogramm diente die „Sachsenerklärung“ des Gründungsparteitages. Tagelang hatte ich mich mit dem inzwischen installierten politischen Landesgeschäftsführer Lutz Kätzel hingesetzt und die Listenaufstellung vorbereitet, so dass diese so gerecht wie nur möglich erfolgen konnte. Zuvor hatte es Gerangel um den Listenplatz 1 gegeben. Ich wurde zunächst vom Landesvorstand beauftragt mit drei vom Vorstand ausgewählten Kandidaten in dieser Reihenfolge zu sprechen: Klaus von Dohnanyi, Anke Fuchs und Hermann Heinemann, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Ich tat dies auch brav. Von allen dreien gab es eine Abfuhr. Die Listenaufstellung zu den Landtagswahlen im Juli 1990 im „Georg Landgraf-Haus“ in Chemnitz verlief äußerst fair und diszipliniert. Michael Lersow wurde auf Listenplatz 1 gewählt gefolgt von Karl-Heinz Kunckel, dem leider viel zu früh verstorbenen späteren Landes- und Fraktionsvorsitzenden. Mitte August 1990 mischte sich Oscar Lafontaine, der Spitzenkandidat der SPD zur Bundestagswahl 1990, ein, wir sollten die Landesliste nochmals aufschnüren und Anke Fuchs auf Platz 1 wählen. Ich hatte damit die wenigsten Probleme, allerdings hatte ich eine Forderung, dass das Wahlprogramm so bleibt wie es ist, es war unser Wahlprogramm, die „Sachsenerklärung“. Dies wurde zugesichert und späterhin auch eingehalten.
Brav taten wir dann das, was von uns verlangt wurde, am 01.September 1990 auf einer erneuten Listenkonferenz in Görlitz wurde Anke Fuchs auf Listenplatz 1 und damit zur Spitzenkandidatin bestimmt, Rest blieb so, Michael Lersow 2, Karl-Heinz Kunckel 3. Von Anke wurde daraufhin der Wahlslogan propagiert, der genau das traf, was die Hinterlassenschaften des SED-Regimes verlangten „ARI – Aufräumen – Reparieren – Ingangsetzen“. Wir führten einen großartigen Wahlkampf, um ein gutes Ergebnis für die Sächsische SPD. Mein Ziel auf ca. 25% zu kommen, ein Wert an der an der SPD in Sachsen nichts vorbeigegangen wäre, dies gilt bis heute. Als der Wahlabend kam, wir hatten einen Dampfer am Terrassenufer in Dresden gechartert und das Ergebnis bekannt wurde, gehörte ich wohl zu denjenigen, die das Ergebnis am meisten schmerzte. Die CDU erreichte 53,8%, die SPD 19,1 %, die Linke Liste-PDS 10,2 %. Anke Fuchs ging so schnell nach Bonn zurück, wie Sie erschienen war. Das Lehrstück zur innerparteilichen Demokratie sollte aber eine nachhaltige Wirkung zeigen. Die SPD zog mit 32 Mitgliedern in den Sächsischen Landtag ein. Eine großartige Fraktion. Bunt besetzt, unsere Vorbereitung auf die Listenaufstellung hatte sich gelohnt und was noch viel bemerkenswerter ist, wir hatten ein Wahlergebnis erreicht, das bis heute nicht annähernd wieder erreicht werden konnte. Den Fraktionsvorsitz übernahm Karl-Heinz Kunckel, seine Stellvertreter wurden Gisela Schwarz und Michael Lersow. Die SPD-Fraktion nahm die Oppositionsrolle an, der Landesverband hatte damit eine gute Plattform, um seine gesellschaftlichen Ziele propagieren zu können, den Wählerinnen und Wählern näher zu bringen, damit in 4 Jahren ein besseres Ergebnis zustande kommt. Ein Auftrag zur Formierung des SPD-Landesverbandes stand noch aus. Die Gründung von Unterbezirken, die Bezirksverbänden waren aufgelöst. Mit meinen Mitstreitern, allen voran Lutz Kätzel, waren wir der Meinung, dafür die Zeit zwischen Landtags- und Bundestagswahl nutzen zu können. Zu den größten Kritikern an diesem Projekt gehörten natürlich die potentiellen Bundestagsabgeordneten. Sie wollten lieber die Zeit für Wahlkampf nutzen. Geduldig erklärte ich den Auserwählten, dass es genau die richtige Zeit für diese Maßnahme sei, denn wenn die Partei gut aufgestellt sei, dann werden auch sie davon partizipieren und im Übrigen hätte sich das Wahlverhalten nach den vielen Wahlen so verfestigt, dass auch mit dem engagiertesten Wahlkampf kein anderes Ergebnis zu erwarten sei, als bei den Landtagswahlen und wir letztendlich nicht auf Parteistrukturen zurück greifen konnten, wie die ehemaligen Blockparteien, PDS, CDU und FDP. Der Wahlkampf sollte ja nicht ausfallen, aber eben gemäßigt verlaufen.
So geschah es denn auch. Wir hatten vorher die Geschichte des Freistaates Sachsen, insbesondere seiner Verwaltungsstruktur vor und zurück gewälzt, um daraus eine Parteigliederung abzuleiten, die auch einer zukünftigen Verwaltungsstruktur entsprechen könnte. Das Ergebnis war, ich legte eine Struktur mit 15 Unterbezirken vor, die ich vorschlug umzusetzen. Der Landesvorstand folgte mir, bildlich gesprochen in einigem Abstand und in guter Deckung. Einwände kamen einerseits von den bestehenden Kreisverbänden, z.B. aus dem Erzgebirge, andererseits durch unsere fast vollständige Fremdfinanzierung durch die Bundespartei. Die Einwände der Kreisverbände ließ ich nicht gelten, weil eine Kreisstruktur noch wesentlich höhere Kosten erzeugt hätte, die Vorhaltungen aus der Bundesparteiebenfalls nicht, denn letztendlich war es der Sächsischen SPDgelungen, eine erhebliche Menge beschlagnahmtenEigentums der SPD aus der Nazizeit und der SED-Diktatur zuidentifizieren, das späterhin durch einen geschlossenenVergleich der Bundespartei zu Gute kam. Meine ganzeinfache Antwort, ihr werdet uns die Kohle schon geben,denn diese ist gut investiert, wurde letztendlich akzeptiert,wenn auch mit Groll. Ende November 1990 war der Sächsische Landesverbandstrukturiert, wir konnten positiv in die Zukunft schauen unduns nun an die politische Arbeit machen. Und wie sah das Ergebnis zur BTW in Sachsen aus? Auf dieSächsische SPD entfielen 18,2 % der Zweitstimmen, dies waren absolut ca. 5.000 Stimmen mehr als zur Landtagswahl. Ich hatte nicht nur Recht behalten sondern wir hatten auchgleichzeitigt unseren Landesverband in den Stand versetzt,der ihn wettbewerbsfähig machte.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,
zwischen der Gründung der SDP in Schwante und der Strukturierung des SPD-Landesverbandes Sachsen lagen nur ca. 13 Monate! Ich glaube ihr stimmt mit mir überein, dass sich die Sächsische SPD am 26. Mai 1990 in Chemnitz konstituiert hat. Aber für mich war die Gründung des SPD Landesverbandes erst mit der Bundestagswahl im Dezember 1990 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Sächsische SPD zu einem statuarisch vollwertigen Mitglied in der Familie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands entwickelt. Es war ein wettbewerbsfähiger Landesverband entstanden, der aktiv teilgenommen hat an der Wiedererrichtung des Freistaates Sachsen und sich bei der Wiedervereinigung der beiden Teile Nachkriegsdeutschlands erheblich engagierte. Wir haben das Motto des Gründungsparteitages „Für Sachsen in Deutschland die Zukunft gestalten“ damit umgesetzt. Dazu haben zu aller erst unsere Mitglieder, die Ortsvereine und regionalen Gliederungen beigetragen. Ohne sie wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Ich möchte allen, die dazu beigetragen haben von dieser Stelle aus nochmals danken. Der Landesverband soll integrieren und Anleitung geben. Die Entwicklung sollte allerdings von der Basis kommen. Dies galt damals, dies gilt heute. Am 07. Juni 2015 stehen wieder Kommunalwahlen in Sachsen an, ich hoffe sehr, dass wir hier einen Schritt nach vorne machen können. Eva-Maria Stange wünsche ich, dass sie Oberbürgermeisterin von Dresden wird.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,
einige der Aktivisten der ersten Stunden haben uns für immer verlassen. Stellvertretend für alle möchte ich den langjährigen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Karl-Heinz Kunckel nennen, der am 09.03.2012 nach langer schwerer Krankheit verstarb. Ich möchte sie bitten zum ehrenden Gedenken der verstorbenen Gründungsmitglieder sich schweigend von den Plätzen zu erheben.
Ich danke Ihnen!!!
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,
ich habe in dieser Darstellung nicht alle aufführen können, die an der Strukturierung des SPD-Landesverbandes beteiligt waren, statt dessen einige die heute nicht mehr in der SPD sind. Dies soll keine Missachtung sein. Mir kam es hier auf die Exaktheit der Darstellung an. Dass sich später auch Schwerpunkte änderten und damit andere Personen in den Mittelpunkt drängten, ändert ebenfalls an den Tatsachen hier nichts.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, das Eingangszitat lautete „Wer seine Zukunft gestalten will, muss seine Geschichte kennen.“ Die Geschichte habe ich versucht darzustellen, einige Lehren daraus jedoch noch nicht.
1. Mit der friedlichen Revolution ging auch das Parteiensystem der ehemaligen DDR unter, oder?
Die SDP als neue Partei aus der friedlichen Revolution hervorgegangen hat einen herausragenden Beitrag zur Herausbildung eines neuen Parteiensystems im Osten geleistet.
Sie hat einen Anspruch darauf, dass sich auch die ehemaligen Blockparteien: PDS, CDU und FDP der Aufgabe stellen, ihren Beitrag zur Aufarbeitung des Unrechtsstaates DDR zu leisten.
Die SED hat versucht sich zu reformieren und sich dabei mehrfach umbenannt. Obwohl sich in Sachsen nie ernsthaft die Frage nach einer Koalition mit den Linken gestellt hat, hat die SPD zwei Gründe für eine Ablehnung formuliert, nämlich, wenn diese Partei nicht Abstand nimmt vom Unrechtsstaat DDR und wenn sie ehemalige Stasi-Mitarbeiter als Minister anbieten würde. Belehrungen von anderen Parteien, insbesondere der ehemaligen Blockparteien CDU und FDP dazu sollten wir uns verbitten. Der SPD-Ost kommt der große Verdienst zu und sie hat dafür erhebliche Opfer gebracht, den Platz besetzt gehalten zu haben, den die SED/PDS gerne eingenommen hätte. In Sachsen gibt es stattdessen eine Koalition mit der CDU, die bisher gut zu funktionieren scheint. Dies war nicht immer so. Das Plakat zur Volkskammerwahl hatte ich schon erwähnt. Und nicht unbedeutende CDU-Mitglieder waren nahe dran, die SPD als vaterlandslose Gesellen zu beschimpfen. Ich bin gegen jede Rote- und Schwarze Socken Kampagne und damit einer pauschalierten auf einer persönlichen Ebene ablaufenden Auseinandersetzung, aber gerade deshalb sollte man der CDU ein Bekenntnis zu ihrer Teilverantwortung für das Funktionieren des Unrechtsstaates DDR abverlangen. Ich bin mir sicher, dass dies öffentliche Eingeständnis auch für die CDU, unser Land und für die Demokratie befreiend wirkend würde. Genauso wichtig für die demokratische Parteienstruktur ist, dass die CDU ihren Platz besetzt hält, so dass der rechte Rand sich nicht weiter ausdehnen kann. Und ein zweiter Gestaltungshinweis sei mir gestattet, liebe Freunde und Genossen haltet Kurs, bleibt authentisch, für den Wähler klar erkennbar! Die SPD war immer die Partei der Arbeit, einer dafür angemessenen infrastrukturellen Entwicklung, des sozialen und ökologischen Ausgleichs. Dies muss sie auch bleiben! Sicher ist nicht alles sinnvoll was Arbeit schafft, aber es ist sinnvoll dazu beizutragen, dass genügend Arbeitsplätze angeboten werden, mit auskömmlichen Löhnen. Wir haben alle Voraussetzungen die dabei entstehenden Eingriffe in die Natur so zu regulieren, dass diese keinen nachhaltigen Schaden nimmt und was die Bürgerinnen und Bürger auch erwarten, ist, dass sich um ihre Probleme gekümmert wird. Die SPD, die sich darum erkennbar kümmert, war mir immer sympathisch und wird es bleiben.
Alles Gute Ihnen für heute und für die Zukunft GlückAuf