Rede von Hanka Kliese zum Gewaltschutz
Rede von Hanka Kliese, gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD „Betroffene häuslicher und sexualisierter Gewalt besser schützen – Kapazitäten im Gewaltschutz bedarfsgerecht ausbauen.“
Drs. 7/3908
- Schon zu „Normalzeiten“ sind die eigenen vier Wände oft nicht das traute Heim
- Häusliche Gewalt und auch sexualisierte Gewalt sind in Deutschland ein großes Problem
- Ausgangsbeschränkungen haben den Druck in vielen Familien und Partnerschaften, insbesondere für Frauen und ihre Kinder, erhöht
- Doch Kontaktsperren dürfen nicht dazu führen, dass Frauen oder Männer keine Auswege mehr aus häuslicher Gewalt finden
- Es braucht die Möglichkeit, zu jeder Zeit dem häuslichen Terror zu entfliehen, Rat und Hilfe zu suchen und zu finden
- Die Corona-Krise hat die Aufmerksamkeit für die Herausforderungen, vor denen wir gerade beim Thema Gewaltschutz stehen, noch einmal erhöht
- Danke an Meier!
- Corona mache deutlich, dass die Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen auf ein solides Fundament gestellt und diese finanziell langfristig abgesichert werden müssen à deswegen fordert die Koalition in ihrem Antrag das bereits bestehende Netz an Schutzeinrichtungen mit weiteren Maßnahmen zu erweitern
- Zwar hat es in der Coronakrise bislang keine erhöhte Nachfrage nach Plätzen gegeben à ExpertInnen gingen jedoch davon aus, dass es eine hohe Zahl von Fällen im Dunkelfeld gibt
- Das zeigen auch immer wieder Studien zum Thema
- Maßgeblich wichtig ist es deswegen, eine Dunkelfeldstudie zur Viktimisierung von vorrangig häuslicher Gewalt, Stalking, sexualisierter Gewalt durchzuführen
- Wir müssen Schätzungen, die es im Dunkelfeld gibt, verifizieren
- Wenn sich die Schätzungen erhärten, dass nicht etwa jede vierte Frau mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner wird, sondern jede zweite, dann wären die Zahl maßgeblich höher, als sie in der Polizeistatistik aufgeführt werden! Genau auf diese Differenz müssen wir blicken!
- Zu sehen ist der Bedarf an Beratungsangeboten und Dunkelziffern vor allem dort, wo die Beratungsangebote sehr gut ausgebaut sind
- In Leipzig zum Beispiel gibt es ein sehr gut ausgebautes Netz
- Mit dem Ausbau der Angebote, stiegen auch die Bedarfszahlen
- Wir sind froh, dass Petra Köpping in der letzten Legislatur als Gleichstellungsministerin schon erhebliche Anstrengungen zur Erfüllung der Istanbul Konvention und ihren Anforderungen unternommen hat
- Das SMGI hat damals die Fördermittel für Frauen-und Kinderschutzeinrichtungen, für Interventions-und Koordinierungsstellen, für die Täterberatungsstellen und für die Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel von 1,4 auf 3,5 Millionen Euro im letzten Haushalt erhöht
- die Rahmenbedingungen der Förderung durch die Novellierung der Richtlinie Chancengleichheit wurden deutlich verbessert
- Das SMGI konnte in Sachsen eine sehr gute regionale Vernetzungsstruktur aufbauen, insbesondere eine beispielhafte Kooperation der Interventions-und Koordinierungsstellen mit der Polizei
- Damit wurde das Hilfesystem wirklich gestärkt
- Trotzdem klafft nach wie vor eine große Lücke zwischen den in der Istanbul Konvention (IK) festgeschriebenen Bedarfen und der Wirklichkeit im Gewaltschutz in Sachsen
- Keine Flächendeckende Struktur an Frauenschutzhäusern in Sachsen; Wir haben nur in 8 Landkreisen Beratungsstellen, 13 müssten es laut IK sein
- Mit Hilfe der Evaluierung wollen wir schauen, in welchen Bereichen wir unsere Angebote erweitern, ausweiten und verbessern können, wie wir bestehende Strukturen besser vernetzen können
- Was die Quote der Frauenschutzhausplätze betrifft zum Beispiel, liegt Sachsen nach wie vor unter dem Bundesdurchschnitt
- Und auch die Plätze in den Männerschutzwohnungen sind ausbaufähig
- Trotzdem dankbar, dass Petra Köpping in der letzten Legislatur die bundesweit ersten Männerschutzwohnungen in Leipzig, Dresden und Plauen ins Leben gerufen hat
- Abschließend: wir sollten über einen Rechtsanspruch für einen Platz in Frauenschutzhäusern nachdenken; dann sind wir unabhängig von Wahlen und DHH-Entscheidungen
- Im Referentenentwurf des Gleichstellungsgesetztes der letzten Legislatur, der leider nicht zu Stande gekommen ist, war dieser Rechtsanspruch drin à Diesen wieder reinzunehmen, wäre nur richtig und wichtig
Der Schutz von Frauen und auch Männern vor Gewalt ist ein universelles Recht, das wir nicht von der Kassenlage abhängig machen dürfen. In einer Gesellschaft, in der noch bis 1997 die Vergewaltigung in der Ehe nicht unter Strafe stand (und mit 138 Gegenstimmen im Bundestag strafbar wurde), wäre das ein starkes Zeichen.