Olivier Höbel setzt Arbeitnehmerthemen auf die Tagesordnung der Sondierungsgespräche in Sachsen

Olivier Höbel

In Sachsen haben – rund zwei Wochen nach der Landtagswahl –  am 16. September die Sondierungsgespräche begonnen. In Dresden kamen Vertreter von CDU, SPD und Grünen zusammen, um die Chancen für eine mögliche Regierungskoalition auszuloten. Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen sitzt für die SPD mit am Tisch.

Im Interview erläutert Olivier Höbel seine Motivation, sich an den Sondierungsgesprächen zu beteiligen.

 

Olivier, Du bist im Sondierungsteam der SPD in Sachsen. Warum beteiligst Du Dich als Gewerkschafter daran?

Ich möchte, dass die Sichtweisen und Probleme der arbeitenden Menschen in diesen Sondierungsgesprächen und den sich möglicherweise anschließenden Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Ich erlebe oft, dass Politik als etwas „von denen da oben“ wahrgenommen und gekennzeichnet wird. Mir geht es darum, dass Politik ein Ringen um gute Lösungen (für alle) ist. Politik muss Arbeitnehmerfragen aufgreifen, dafür stehe ich. Mir ist wichtig, dass das, was beraten und beschlossen wird, am Ende auch tatsächlich bei den Menschen ankommt.

Welche Themen bringst Du in die Sondierungsgespräche ein?

Eins der wichtigsten Themen in Sachsen ist die Tarifbindung. Die ist in Sachsen im Bundesvergleich äußerst gering ausgeprägt. Tarifverträge und Tarifautonomie sind für mich eine der wichtigen Säulen der Demokratie. Wenn aber allzu viele Menschen, wie wir das leider auch in Sachsen erleben, nicht an dieser Säule der Demokratie ­­teilhaben können, weil sie in Unternehmen ohne Tarifbindung arbeiten, dann führt das zu Enttäuschung und Verbitterung. Deswegen will ich daran arbeiten, dass es ein Verständnis in diesen Gesprächen und Verhandlungen dafür gibt, dass Tarifbindung ein sehr wichtiges, schützenswertes Gut ist, das auch erweitert werden muss. Der Freistaat Sachsen hat die Aufgabe, daran mitzuarbeiten, dass Tarifbindung eine Selbstverständlichkeit ist, die auch bei den Menschen ankommen muss.

Es gibt noch weitere Themen, die Du setzen möchtest …

Ich bin selber ein Kind des zweiten Bildungsweges. Ich bin gelernter Kraftfahrzeugmechaniker und habe auf dem zweiten Bildungsweg ein sozialwissenschaftliches Studium absolviert. Auch aus dieser eigenen Erfahrung heraus ist mir sehr bewusst, dass Erwachsenenbildung ein wichtiger Punkt ist. Arbeitnehmer müssen die Möglichkeit zur Weiterbildung und Weiterentwicklung bekommen. Gerade im Zeitalter der Transformation, also der schnellen Veränderung von Arbeitsbedingungen und industriellen Fertigungsbedingungen, ist es wichtig, Anschluss zu halten. „Lebenslanges Lernen“ ist mehr als nur ein Schlagwort. Die Menschen müssen sich gerade in Zeiten des Wandels qualifizieren. Dazu gehört auch ein Bildungsfreistellungsgesetz, das es in Sachsen – im Gegensatz zu 14 anderen Bundesländern – nach wie vor nicht gibt.

Du hast gerade das Stichwort Transformation genannt. Welche Rolle spielt für Dich die Industriepolitik in den Sondierungsgesprächen?

Industriepolitik ist für mich das dritte große Feld, verbunden mit dem Thema Infrastruktur. Wir erleben gerade eine Transformation im großen Stil. Das zeigt zum Beispiel die komplette Umstellung des VW-Werks in Zwickau, wo künftig Elektro-Fahrzeuge statt Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gefertigt werden. Das ist ein Schritt, den wir als IG Metall sehr unterstützt haben. Das alleine reicht jedoch nicht aus. Damit diese Produkte bei den Menschen eine breite Akzeptanz und letztlich auch Absatz finden, muss die entsprechende Infrastruktur dafür aufgebaut werden. Ohne Ladesäulen – kein E-Auto. Die Verkehrs- und Energiewende sind große Anstrengungen. Das geht nicht ohne Beteiligungsprozess. Die Menschen müssen verstehen, worum es geht. Der Begriff der Nachhaltigkeit darf nicht nur für Umweltfragen gelten. Der Grundsatz, wer abholzt, muss auch aufforsten, gilt in jeder Hinsicht.

Das heißt in diesem Zusammenhang?

Wo Arbeitsplätze wegfallen, weil es einen technischen, einen industriellen Wandel gibt, müssen neue, in die Zukunft gerichtete und umweltverträgliche Arbeitsplätze entstehen. Der Staat, die Gesellschaft, steht in der Pflicht, für ein Gleichgewicht zu sorgen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Lausitz. Die heutige Energieregion Lausitz muss morgen auch eine Energieregion sein, nur eben dann auf der Grundlage einer ganz anderen Energieproduktion. Das verschafft den Menschen Perspektiven und nimmt sie mit auf dem Weg der Veränderung. Wir müssen daran arbeiten, positive und zukunftsträchtige Lösungen finden.

Du hast das Stichwort Nachhaltigkeit schon genannt, Olivier. Die Grünen sitzen auch mit am Tisch. Wie stehst Du in Deiner Rolle als Gewerkschafter und Bezirksleiter der IG Metall zum Thema Nachhaltigkeit in Bezug auf Umweltschutz und Klimawandel?

Die IG Metall hat sich sehr grundsätzlich zu der Aussage bekannt, dass der Klimawandel menschengemacht ist und insofern auch von Menschen beeinflusst werden kann. Wir stehen zu den Pariser Klimazielen und daher ist vollkommen klar, dass ein großes Industrieland wie die Bundesrepublik eine Verpflichtung hat. Diese Verpflichtungen müssen auch eingehalten und umgesetzt werden. Der Wandel, der damit einhergeht, ist aber nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein zutiefst sozialer.

Ebenso wie für den Umweltschutz gilt aber auch für die Menschen der Grundsatz der Nachhaltigkeit: Wo Arbeitsplätze wegen technologischer oder Klimaveränderungen wegfallen, müssen soziale Lösungen und Perspektiven für die Menschen gefunden werden. Nur dann gelingt ein sozialverträglicher, ein demokratischer und ein ökologischer Wandel, der alle mitnimmt. Dafür stehen wir als IG Metall und dafür stehe ich als Gewerkschafter in den Sondierungsgesprächen.