Susann Rüthrich zum Umgang mit Masernimpfung in Deutschland

Aktuell ist leider eine erhebliche Zahl an Maserninfektionen zu verzeichnen. Leider ist bereits ein Kind verstorben, das nicht gegen Masern geimpft war.

Der aktuelle Ausbruch der Ansteckungskrankheit entfachte einmal mehr die Debatte um eine Impfpflicht in Deutschland. Gesundheitspolitiker/innen der Koalition haben sich bereits dazu geäußert. Sie zeigten sich offen dafür, eine solche Pflicht als letztes Mittel zu nutzen, wenn die Durchimpfungsraten anders nicht zu erhöhen sind.

Da es beispielsweise um den Zugang zu Kitas und Schulen geht, der verwehrt werden soll, wenn keine Impfung vorliegt (es sei denn, es sprechen individuelle Gründe in der Gesundheit des Kindes dagegen), sind auch wir Familien- und Kinderpolitiker/innen gefragt uns zu positionieren.

Eine Impfpflicht halte ich für ein zu drastisches Mittel und für gesellschaftlich nicht konsensfähig. Vielmehr sehe ich große Potentiale darin, die Qualität der Aufklärung und Beratung für Eltern und alle anderen Erwachsenen zu verbessern.

1. Dass eine Impfung keine nur individuelle Schutzentscheidung für das eigene Kind ist, sondern eine soziale Impfung insbesondere um die Kinder, die aufgrund von Störungen des Immunsystems nicht geimpft werden können, für die eine Ansteckung aber verheerend wäre, sowie für Kinder, die zu jung sind, um bereits einen wirksamen Impfschutz haben zu können, wird in der Beratung nicht verbindlich thematisiert. Das könnte aber ein gewichtiger Abwägungsgrund für Eltern gesunder Kinder sein, sich für eine Impfung zu entscheiden.

2. Die Eltern, die Fragen zum Thema Impfen haben, sollten ernst genommen werden. Sollten es wie oft berichtet tatsächlich „Bildungsbürger/innen“ sein, die ihre Kinder nicht impfen lassen, dann sind das nicht zwingend egoistische „Latte-Macchiato-Eltern“, sondern Menschen, die auf Fragen keine befriedigenden Antworten bekommen haben. In Arztpraxen liegen zumeist Impfbroschüren von Pharmafirmen aus, deren (auch kommerzielles) Eigeninteresse an möglichst vielen geimpften Kindern gerade bei den „Bildungsbürger/innen“ auf Ablehnung stößt. Diese Eltern fühlen sich dann eher einer „Impfpropaganda“ gegenüber und suchen sich dann Gegenargumente beispielsweise im Netz heraus, was nicht zu einer tatsächlichen Aufklärung führt. Eine tatsächlich unabhängige Aufklärung vertraut nicht auf die Broschüren der Firmen, sondern nutzt eigene Informationsmaterialien.

Und Aufklärung heißt auch, Befürchtungen etwaiger Nebenwirkungen offen gegenüberzutreten. Langzeitstudien, vor allem bei Kindern, lohnen sich finanziell bei fast keinem Medikament. Die möglichen Nebenwirkungen von Impfungen werden wenn dann nur kurzfristig und als unmittelbare Folgewirkung erforscht. Langfristige Forschung ist nahezu unmöglich, zumal etwa eine eventuelle Allergie viele Auslöser haben kann. Und TROTZDEM ist es sinnvoll zu impfen, aus o.g. Gründen. Das Anerkennen von Befürchtungen könnte Eltern zu einer aufgeschlosseneren Haltung für das Impfen bringen.

3. Die empfohlenen Impfungen sind mittlerweile sehr umfangreich. Ohne eine nachvollziehbare und erklärbare Priorisierung, was davon wirklich (aus sozialen wie aus individuellen Gründen) unabdingbar ist, muss vorgenommen werden.

4. Der „Herdenschutz“ umfasst nicht nur geimpfte KINDER. Es geht um die Durchimpfungsraten der Gesamtgesellschaft, also auch der ERWACHSEN. Wenn wir die Kinder schützen wollen, müssen alle Hausärzte darüber aufklären, dass auch Erwachsene ihren Impfstatus oder Immunität kennen müssen, um nicht selbst zu erkranken oder Überträger zu sein.