Kolbe: Hartz-IV-Sanktionen müssen radikal überarbeitet werden
Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zu den bestehenden Sanktionsregelungen im SGB II, erklärt Daniela Kolbe, Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales und Mitglied im SPD-Parteivorstand:
„Die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 sind mit dem Anspruch „Fördern und Fordern“ vorgenommen worden. Die Befragung der Sachverständigen in der Anhörung hat erneut gezeigt: Sanktionen erfüllen zwar eindeutig den Forder-Anspruch, es ist aber vollkommen unklar, ob Sanktionen tatsächlich die nachhaltige Vermittlung in Arbeit fördern.
Deutlich ist hingegen geworden, dass Sanktionen finanzielle, soziale, gesundheitliche und psychosoziale Auswirkungen haben, teilweise ist die Wohnsituation der Betroffenen bedroht. Unter gesellschaftlicher Ausgrenzung leiden die Betroffenen durch das Zurückzahlen eventueller Schulden noch nach Ablauf der Sanktionen.
Außerdem ist fraglich, ob sich Sanktionen überhaupt rechnen angesichts des Verwaltungsaufwandes, die die Sanktionen und die vielen Widerspruchsverfahren nach sich ziehen. Die Jobcenter kämpfen seit Jahren gegen ihre Unterfinanzierung. Trotzdem müssen sie einen erheblichen Teil ihrer finanziellen Mittel für Verwaltungskosten ausgeben.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen muss die Sanktionspraxis überdacht werden. Die Ideen der SPD liegen dazu auf dem Tisch, etwa der Wegfall der schärferen Sanktionen für jüngere Arbeitssuchende. Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse darüber, welche Effekte eine mildere Sanktionspraxis oder gar der Wegfall von Sanktionen hätte. Um diese Erkenntnisse zu bekommen, können wir Modellversuche starten. Sollte in der jetzigen Koalition eine Reform der Sanktionen an der Union scheitern, könnte zumindest in Modellversuchen analysiert werden, wie sich mildere Sanktionen oder sogar ein Wegfall auf die Betroffenen und deren Chancen auf Vermittlung in Arbeit auswirken.
Wenn harte Sanktionen keinen Nutzen für die Arbeitssuchenden haben und sie gleichzeitig für die Jobcenter und deren Mitarbeiter eine Mehrbelastung darstellen, sollten wir sie grundlegend überarbeiten und auf das unbedingt Nötige beschränken. Unser Sozialstaat ist leistungsstark und bietet viele Sicherheiten. Aber er muss sich auch den Bürgerinnen und Bürgern zuwenden und sie nicht mit Maßnahmen wie nutzlosen Sanktionen wegen Terminversäumnissen verschrecken.“