Rüthrich: NSU: Urteilsspruch ist kein Schlussstrich

Susann Rüthrich, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der SPD-Bundestagsfraktion und stellvertretende Vorsitzende des II. NSU-Untersuchungsausschusses:

„Nachdem im Münchener Oberlandesgericht fünf Jahre verhandelt wurde, sind heute die Urteile gegen die fünf Angeklagten gesprochen wurden. Ich begrüße das klare Urteil einer lebenslangen Haft mit Feststellung der besonderen Schwere gegen Beate Zschäpe.

Der NSU-Prozess diente der juristischen Aufarbeitung. Neben der Bundesanwaltschaft kam den Nebenklageanwält*innen eine wichtige Rolle zu. Sie haben die Opfer und Angehörigen dabei unterstützt ihre Anliegen sichtbar zu machen. Auch wenn akribisch im NSU-Prozess vorgegangen wurde, stieß der Gerichtsprozess an deutliche Grenzen, denn er hatte nie zum Ziel den gesamten NSU-Komplex aufzuklären. Dies fand und findet unter anderen in Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern statt. Dort wurde das Versagen der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden aufgearbeitet. Auch dies stieß an Grenzen, da längst nicht alle Akten und Erkenntnisse vorliegen.

Für mich persönlich steht nach meiner Arbeit im Bundestagsuntersuchungsausschuss fest, dass es sich nicht um ein NSU-Trio, sondern ein NSU-Netzwerk handelt, welches weit über die fünf Angeklagten hinaus reicht. Daher erwarte ich, dass in den laufenden Ermittlungsverfahren mit Hochdruck daran gearbeitet wird weitere Unterstützer*innen zu belangen. Gerade bei dem unter dem beantragten Strafmaß verurteilten André Eminger und Ralf Wohlleben zeigt, wie tief verankert die nationalsozialistische Ideologie ist. Damit sind sie nicht allein. So ergibt sich weiterhin eine Bedrohungslage für all jene, die entsprechend dieser Ideologie als weniger wert gelten und angegriffen werden.

Der Urteilsspruch kann daher kein Schlussstrich der Aufklärung sein.

Wir müssen in den Parlamenten weiter vehement einfordern, dass die wichtigen Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse umgesetzt werden. Elementar ist die Etablierung eines tiefen Bewusstseins und einer fundierten Kenntnis darüber, wie rechte Netzwerke agieren und wie rechte Gewalt erkannt und aufgehalten werden kann. Außerdem müssen wir zivilgesellschaftliches Engagement gegen menschenverachtende Ideologien dauerhaft durch ein Demokratiefördergesetz stärken.

Ermittlungsbehörden, Zivilgesellschaft, Medien und Politik müssen weiter zur Aufklärung des NSU-Komplexes und Netzwerks beizutragen. Es geht darum für einen Rechtsstaat und eine Gesellschaft zu kämpfen, indem nie wieder Menschen aus rassistischen Motiven unentdeckt ermordet werden und am Ende noch selbst verdächtigt werden. Das sind wir den Opfern und Hinterbliebenen schuldig, aus Solidarität und als Antwort auf einen Angriff gegen unsere Demokratie.“