Das war der Bundesparteitag 2015

Berichterstatterin Susann Rüthrich

Liebe Genossinnen und Genossen,

Ihr habt uns – die siebenköpfige Delegation – zum Bundesparteitag entsandt. Spannende Tage in Berlin liegen hinter uns. Und damit Ihr wisst, was wir mit Eurem Mandat gemacht haben, lest ihr hier einen kleinen Bericht von mir.

Das Antragsbuch wog fast ein Kilo und war 839 Seiten dick. Dazu kamen noch zahlreiche Initiativanträge des Parteivorstandes, die viele Themen der Anträge aus den SPD-Gliederungen aufnahmen. Wir haben die Antragsblöcke vorher aufgeteilt, so unser Stimmverhalten koordiniert und waren gut vorbereitet. Gutes Teamwork, danke!

Henning Homann war für uns in der Antragskommission, hat dort unsere Ergänzungen eingebracht und andere kluge Kompromisse mitverhandelt. Dieses wichtige Amt war verbunden mit mehreren Extraterminen und Nachtarbeit. Auch dafür vielen Dank!

Schon vor dem Parteitag haben uns 50 Aktive von Campact ein Papier gegen CETA und TTIP übergeben. Stefan Engel und unser Landesgeschäftsführer Jens Wittig haben mit ihnen diskutiert.

Der Parteitag fand, wie es wohl die Zeit leider gerade erfordert, unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Langes Anstehen und Kontrollen wie auf dem Flughafen – wir nahmen es geduldig auf uns.

Mit dem Totengedenken durch Gerhard Schröder begann der Parteitag. Günter Grass, Egon Bahr, Helmut Schmidt geben uns weiterhin Orientierung, sie haben die SPD geprägt, sie werden uns fehlen.

Der engagierten Rede von Frank-Walter Steinmeier zur Außenpolitik folgte eine einstündige Debatte mit Kritik an, aber auch Plädoyers für den Syrien-Einsatz. Es war die Bestätigung: Die Debatte über „Krieg und Frieden“ gehört in die Partei. Sigmar Gabriel kündigte an die Partei zu fragen, wenn das Mandat in Syrien über die Aufklärungstornados hinaus ausgeweitete werden sollte.

In der Debatte zu Friedenspolitik hat Matthias Ecke für uns gesprochen. Wir seien die Partei des Friedens und des internationalen Rechts, das müsse auch in der Zeit der „Neuen Kriege“ gelten, sagte er. Er brachte damit einen Änderungsantrag aus Sachsen ein, der  die Bundestagsfraktion aufforderte, fortwährend zu prüfen, ob das Mandat für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des international vereinbarten Völkerrechts bleibt und dem Frieden in der Region nützt. Viele ÄA wurden übernommen, unserer jedoch nicht. Wir haben uns daher in der Abstimmung enthalten. Der Gesamtantrag wurde mit großer Zustimmung angenommen.

Malu Dreyer brachte den Antrag zu integrativer Flüchtlingspolitik ein, der viel Applaus und Zustimmung erhielt. Mehr als 50 RednerInnen beteiligten sich an der Debatte, darunter auch Irena Rudolph-Kokot aus Sachsen, Vizevorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt. Sie alle machten klar, dass die SPD die Partei ist, mit der Integration gelingt. Geflüchteten wird geholfen, das ist für uns selbstverständlich. Diejenigen, die sich abschotten wollen, schaden uns allen. Denjenigen, die helfen, danken wir. Obergrenzen lehnen wir ab.

In der sächsischen Delegation steht für uns jedoch die Frage im Raum, was Kontingente und sichere Außengrenzen praktisch bedeuten. Eine Formulierung zu „Grenzen der Aufnahmefähigkeit“ wurde vom Parteitag umformuliert: „Willkommen heißt, auch darüber zu reden, was wie geleistet werden kann.“ Viele Änderungen, etwa von der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, wurden übernommen. Die Delegierten stimmten dem Antrag schließlich mit sehr großer Mehrheit zu. Aus unserer Delegation gab es zwei Gegenstimmen.

Der erste Tag schloss mit überwiegend unstrittigen Antragsblöcken zu Kommunalpolitik, zu Familienpolitik und zu Jugendpolitik. Die haben gezeigt: Wir sind die Partei, auf die sich die Kommunen verlassen können. Die SPD ist Familienpartei – für alle Familien, für alle Kinder – mit gleichen Rechten. Und bei uns finden junge Menschen Unterstützung.

Der Freitag startete mit dem Bericht aus der Bundestagsfraktion. Thomas Oppermann unterstrich die Erfolge in der Regierungsarbeit.

Beim Testlauf der digitalen Abstimmungsgeräte funktionierte die Technik – noch! ;-)

Sigmar Gabriel hat in seiner Rede aktuelle Fragen aus seiner Sicht geschildert: Unsere Kinder sollen genau wie wir in Frieden aufwachsen können. Es sei gut, dass die SPD Fragen von Krieg und Frieden nicht mit Hurra-Patriotismus beantworte, sondern mit Nachdenklichkeit. Politik dürfe Menschen nicht gegeneinander ausspielen. Und er war auch selbstkritisch, was das ein oder andere Statement in den Medien anging. Er übte Kritik am Koalitionspartner und sprach noch viele weitere Themen wie Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und Digitales an. Die SPD müsse selbstbewusst und geschlossen auftreten. Für seine Rede gab es lange Applaus und Standing Ovations.

So weit, so gut. In der Aussprache zeigten sich natürlich alle, die im kommenden Jahr in Landtagswahlen gehen. Außerdem ging es um Steuern und die Finanzierung des Sozialstaates, Ungleichheit in der Gesellschaft und vieles mehr. Unser Delegierter Marc Dietzschkau sprach über Dresden und Pegida, über Haltung in der Flüchtlingsdebatte und bat um Unterstützung für Herz statt Hetze. Sein Beitrag brachte ihm dann auch einen Small-Talk mit Sigmar ein ;-).

Spannend wurde es, als das erste Mal während des ganzen Parteitages deutliche Kritik durch die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann geäußert wurde: VDS, Griechenland, Handelspolitik – bei all diesen Themen sprach sie von einem  „Glaubwürdigkeitsproblem“. In seiner Erwiderung wies Sigmar Gabriel die Kritik entschieden zurück. Leider – wie wir fanden – auf eine sehr persönliche Art, die wohl bei nicht Wenigen zu Solidarisierung geführt hat. Schade, denn das hätte anders laufen können.

Trotz des erfolgreichen Testlaufs konnte dann nicht digital abgestimmt werden. Und hier gilt der alte Spruch „Das Problem sitzt immer vor dem Rechner.“ definitiv nicht. Also gab es wieder Stimmzettel.

Das Ergebnis ist nun bekannt: 614 abgegeben, 456 ja, 139 nein, 19 Enthaltung  und damit 74,27 Prozent für Sigmar Gabriel.

Sigmar nahm mit einer kämpferischen Rede die Wahl an.

Gefreut habe ich mich über das tolle Ergebnis einer meiner Lieblingskolleginnen. Katarina Barley wurde mit 93 Prozent zur Generalsekretärin gewählt.

Unser Landesvorsitzender Martin Dulig wurde im zweiten Wahlgang gewählt mit 474 von 571 Stimmen. Das war verdient deutlich!

Spannend wurde es dann noch einmal bei der Diskussion um eine Doppelspitze. Gliederungen sollte ermöglicht werden, eine Doppelspitze einzuführen, wenn sie das wollen. Für eine Doppelspitze spricht, dass die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt so verbessert werden kann, Aufgaben werden auf mehreren Schultern verteilt und es zeigt uns als partnerschaftliche Partei. Die Frage nach einer Doppelspitze wurde als Satzungsänderung behandelt und brauchte damit eine zweidrittel Mehrheit. Und dann das: Nach nur drei (!) Redebeiträgen kam der Antrag auf Abbruch der Debatte, dann eine Abstimmung – und die Ablehnung. Für uns ist klar: Mit Anträgen, die breit getragen sind, so umzugehen, das ist mehr als nur ärgerlich!

Nach weiteren Wahlen und der parallelen Debatte zur Zukunft der Arbeit und zu Digitalem Leben startete der Parteiabend dann nach 22 Uhr. Es war ein langer, intensiver, manchmal überraschender Tag, an dessen Beschlüssen wir noch eine ganze Weile denken werden.

Am Samstag ging es dann noch um Europapolitik sowie um Chancen und Risiken des transatlantischen Freihandels (TTIP/CETA). Der Antrag des Parteivorstandes wirbt für eine Fortsetzung der Verhandlungen, bekräftigt die auf dem Parteikonvent 2014 beschlossenen Roten Linien und sprach sich dafür aus, auf Veränderungen bei CETA zu drängen. In der Debatte warb neben dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der JuristInnen, Harald Baumann-Hasske, auch unser Landesvorsitzender Martin Dulig für den Antrag. Er warnte vor einem Abbruch der Verhandlungen, wie ihn einige befürworten. Re-Nationalisierung sei mitnichten sozialdemokratische Politik.

Spannend wurde es noch einmal bei der Verleihung des Dröscher-Preises. Zwei sächsische Ortsvereine und Projekte waren im Rennen: der Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit „Demokratie ist kein Spiel“ und die „Alte Kulturbrauerei Annaberg“. Auch wenn es diesmal leider nicht mit einem Preis geklappt hat, waren unsere Favoriten und Gewinner der Herzen die sächsischen BewerberInnen. Macht weiter so!

Für Eure Fragen stehen wir gern zur Verfügung.

Mit besten Grüßen der sächsischen Delegierten,

Susann

 

Alle Ergebnisse, die zentralen Reden und weitere Eindrücke findet Ihr zum Nachlesen auf spd.de.

Redebeiträge der sächsischen Delegation zum Nachhören auf youtube:

Matthias Ecke, Aussprache „Für eine friedliche Welt“, 30:30

Marc Dietzschkau, Aussprache Sigmar Gabriel, 3:09:40

Delegation BPT

Bild: Unsere sieben Delegierten (von rechts nach links): Susann Rüthrich, Matthias Ecke (Ersatzdelegierter für Donnerstag und Samstag), Sabine Sieble, Stefan Engel, Marc Dietzschkau, Benjamin Zabel, Dana Frohwieser und Henning Homann.