Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD Sachsen zur angekündigten Asyl- und Flüchtlingspolitik des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer
Dresden, 09.01.2018
Politik ist nicht an einer ominösen „Befriedung der Gesellschaft“ (siehe Rede von Michael Kretschmer auf dem CDU-Landesparteitag am 09.12.2017 in Löbau) zu orientieren, sondern an den tatsächlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten. Es kann nicht sein, dass über menschliche Schicksale aufgrund einer nicht näher bestimmbaren Gefühlslage der Bevölkerung entschieden wird, zumal der Sachsen-Monitor 2017 (S. 38f.) gezeigt hat, dass der weit überwiegende Teil der sächsischen Bevölkerung keinen bis nur wenig Kontakt zu Nichtdeutschen hat.
Des Weiteren geht Ministerpräsident Kretschmer von einer falschen Prämisse aus, wenn er davon ausgeht, dass subsidiär Schutzberechtigte keinen Familiennachzug benötigen, da diese auf in ihre Heimatländer zurückkehren sollen, wenn der Schutzgrund weggefallen ist. Dieser – in der Theorie richtige – Ansatz geht an der Realität vorbei. Subsidiär schutzberechtigt ist, wem in seinem Heimatland die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt um Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. In vielen Herkunftsländern subsidiär Schutzberechtigter sind diese Gründe aber nicht weggefallen.
Gerade das Beispiel Afghanistan zeigt an einem über 40 Jahre andauernden Konflikt, dass subsidiäre Schutzberechtigung keine Übergangslösung ist. Es ist daher notwendig, auch subsidiär Schutzberechtigten eine längerfristige Perspektive in Deutschland und Sachsen zu bieten. Hierzu ist neben der möglichst frühzeitigen gesellschaftlichen Einbindung und die Schaffung von Arbeitsplätzen auch die Vereinigung der Familie, was zu einer schnelleren und besseren Integration führt und letztliche allen – sowohl subsidiär Schutzberechtigten als auch Aufnahmegesellschaft – dient.
Zudem ist es bedenklich, dass Ministerpräsident Kretschmer laut über die Rückführung syrischer Flüchtlinge in ihr Herkunftsland nachdenkt (siehe Michael Kretschmer beim Politiksalon der Freien Presse vom 30.11.2017). Selbst wenn es „befriedete Regionen“ in Syrien geben sollte, wie Ministerpräsident Kretschmer meint, so sind diese vom syrischen Regime kontrolliert – ein Regime, welches nicht nur einen Krieg gegen oppositionelle Kräfte, sondern auch gegen die eigene Bevölkerung führt. Das eine Region „befriedet“ ist, heißt nicht, dass eine Person in dieser sicher ist. Eine Wahrung des Rechts auf Leben und der Freiheitsrechte, welche aus der Menschenwürde nach Art. 1 GG resultiert, kann im Falle einer Rückführung nach Syrien nicht garantiert werden.
Aufgrund dessen fordert die Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD Sachsen eine andere, humanere und an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierte Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Zur Arbeitsgemeinschaft:
Seit März 2013 besetzt die SPD Sachsen die Themen Migration, Integration und kulturelle Vielfalt mit einer eigenen Arbeitsgemeinschaft. Dem Gründungsakt der AG „Migration und Vielfalt“ im Leipziger Lipinski-Forum ging bereits ein langer Prozess der stetig wachsenden Zusammenarbeit und verstärkten Koordination der verschiedenen regionalen Akteure und Arbeitskreise voraus, so dass es nur noch ein kleiner Schritt hin zu einer zentralen Bündelung der Kräfte war.
Die SPD-Arbeitsgemeinschaft verfolgt das Ziel, die gesellschaftspolitisch wichtigen Themen Migration und Integration in Zukunft – auch in der Öffentlichkeit – noch stärker zu vertreten. Ebenso soll auch die kulturelle Öffnung der SPD aktiv vorangetrieben werden, um Migrantinnen und Migranten noch stärker für die politische Mitarbeit zu gewinnen.