Thomas Jurk: Bericht aus Berlin
1. Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion
Auf unserer Jahresauftaktklausur Anfang Januar haben wir uns intensiv mit dem Thema Zuwanderung beschäftigt und waren uns darin einig, dass Deutschland wirtschaftlich auf Zuwanderung angewiesen ist. Denn aufgrund der Alterung unserer Gesellschaft wird Deutschland in den kommenden Jahren jährlich rund 400.000 Arbeitskräfte verlieren. Diese Lücke lässt sich weder durch die höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen noch durch die Nachqualifizierung von Beschäftigten und Arbeitslosen schließen. Deshalb brauchen wir unbedingt die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, auch um die Renten in einer alternden Gesellschaft künftig finanzieren zu können. Daher ist klar: Wer gegen Zuwanderung agitiert, gefährdet unseren Wohlstand und setzt unsere Renten aufs Spiel! Eine ehrliche Debatte, die die Vorteile der Zuwanderung deutlich macht, ohne die Probleme zu verschweigen, ist überfällig. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das einen klaren und übersichtlichen Rahmen für die Zuwanderung schafft. Und selbstverständlich muss Deutschland auch in Zukunft seiner humanitären Verantwortung gerecht werden und Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnehmen. Damit diese Menschen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben bekommen, müssen sie möglichst schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden – zumal viele gut ausgebildete Handwerker und Akademiker unter ihnen sind. Deshalb haben wir durchgesetzt, dass Asylsuchende künftig bereits nach 3 Monaten eine reguläre Arbeit aufnehmen können. Zudem wollen wir die frühzeitige Förderung von Sprachkompetenz intensivieren sowie die gezielte Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen und Einwanderern stärken.
Wir wollen die Lebenswirklichkeit der Menschen im Blick behalten. Deshalb haben wir auf unserer Klausur außerdem darüber diskutiert, welche Themen die Bürgerinnen und Bürger über die Vorhaben im Koalitionsvertrag hinaus bewegen. Im Mittelpunkt unserer Diskussion stand dabei die Generation der 30- bis 50-Jährigen, die durch Beruf, Kindererziehung, Pflege der eigenen Eltern und Sorge um die eigene Absicherung im Alter besonders stark beansprucht ist. Ihre Bedürfnisse wollen wir stärker in den Blick nehmen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird in der zweiten Jahreshälfte deshalb einen Dialogprozess mit Vertretern der Zivilgesellschaft in Gang setzen, um konkrete Antworten zu formulieren. Wir haben zudem über unsere Arbeitsschwerpunkte für das Frühjahr 2015 gesprochen.
2. Anschläge in Frankreich und geplante Maßnahmen auf Bundesebene
Die erste Sitzungswoche 2015 stand unter dem Eindruck der furchtbaren Terroranschläge in Frankreich. Am 15. Januar waren die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Plenum erschienen, um der ermordeten Menschen von Paris zu gedenken. Nach einer Rede des Bundestagspräsidenten Lammert gab Kanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung ab. In der anschließenden Aussprache bezeichnete unser Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann die Anschläge in Paris als gezielten Angriff auf die freie Presse. „Das war der Versuch, freie Menschen in einer offenen Gesellschaft einzuschüchtern“.
Jeder Mensch muss in Deutschland in Frieden und ohne Angst leben können. Die Sicherheit in unserem Land werden wir deshalb mit allen Mitteln des Rechtsstaats verteidigen. Dort wo es notwendig ist, werden wir zügig handeln und den Schutz vor terroristischen Anschlägen wirksam verstärken. Bereits in der vergangenen Woche wurde der Entwurf eines Gesetzes im Kabinett beschlossen, der den Entzug des Personalausweises für ausreisewillige Dschihadisten ermöglicht. Bislang konnte nur der Reisepass entzogen werden, so dass eine Ausreise mit dem Personalausweis vor allem über die Türkei nach Syrien noch möglich war. Diese Lücke wird jetzt geschlossen. Weitere Gesetzesvorhaben sind geplant. So soll künftig bestraft werden können, wer in der Absicht, terroristisch tätig zu werden, aus Deutschland ausreist. Darüber hinaus soll ein eigener Straftatbestand „Terrorismusfinanzierung“ geschaffen werden. Mit diesen Vorhaben sind wir gut aufgestellt und werden die Debatte um neue Gesetze mit Augenmaß führen.
Ebenso wichtig wie neue Gesetze sind aber eine enge Kooperation der Sicherheitsbehörden sowie deren gute finanzielle und personelle Ausstattung. Terrorismus bekämpft man nicht allein durch neue oder verschärfte Gesetze. Es gilt nun zu prüfen, ob unsere Sicherheitsbehörden das erforderliche Personal und die notwendige Sachausstattung besitzen, um potenzielle Gefährder in unserem Land so zu beobachten, dass die Gefahr terroristischer Anschläge – so gut es irgend möglich ist – minimiert wird. Auch ist eine intensivere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf nationaler und internationaler Ebene notwendig. Begleitend zu den Maßnahmen zur akuten Terrorabwehr bedarf es jedoch einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um eine weitere Radikalisierung junger Menschen in Deutschland und Europa schon in den Anfängen zu verhindern.
3. Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen
In der ersten Sitzungswoche des Jahres gab es natürlich auch noch andere Themen. So wurde über einen Antrag der Koalitionsfraktionen zur gesunden Ernährung debattiert. Denn immer mehr Kinder aus bildungs- und einkommensschwachen Familien sind von Fehlernährung betroffen. Ziel des Antrags ist es, die Qualität u.a. durch einen Ernährungs-TÜV und eine stärkere Verpflichtung der Anbieter auf Qualitätsstandards zu verbessern. Außerdem soll gesunde Ernährung in der nationalen Präventionsstrategie im Rahmen der Erarbeitung des Präventionsgesetzes eine besondere Rolle spielen.
4. Meldeverfahren in der sozialen Sicherung optimieren
In erster Lesung wurde zudem über einen Gesetzentwurf diskutiert, wonach das Meldeverfahren in den Sozialversicherungen verbessert werden soll, um Unternehmen und Behörden von bürokratischem Aufwand zu befreien. Unter anderem sollen Bescheinigungsdaten künftig elektronisch an die Rentenversicherung übertragen werden können. Durch die Änderung von Definitionen sollen zudem die elektronischen Meldeverfahren rechtssicherer werden. Auch wird das Waisenrentenrecht an das Steuer- und Kindergeldrecht angeglichen und die Einkommensanrechnung vereinfacht.
5. Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden mit Polen verbessern
In erster Lesung wurde auch über die Verbesserungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Polen im Polizei- und Zollbereich diskutiert. Dazu haben die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen am 15. Mai 2014 ein Abkommen unterzeichnet, mit dem die Zusammenarbeit vertieft wird. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Umsetzung dieses Abkommens vor.